Andrea Griesebner

Birgit und ich haben uns, nicht weiter überraschend, am Arbeitsplatz kennen gelernt. Oder aus gegenwärtiger Perspektive vielleicht doch überraschend, wenn wir uns überlegen, welche Begegnungsräume der heutige Universitätsbetrieb für eine Historikerin und eine Romanistin eröffnet. 

Ihre Arbeitsplätze befinden sich nicht nur an verschiedenen Orten, sondern die jeweiligen Institute gehören mittlerweile auch zwei verschiedenen Fakultäten an. Unsere Wege kreuzten sich an einer völlig anders organisierten Universität, die damals weder autonom noch neoliberal ausgerichtet war. 

Erstmals gesehen und gehört habe ich Birgit Ende der 1980-er Jahre in der Fakultätskonferenz der Geisteswissenschaftlichen Fakultät, die im kleinen Festsaal des Hauptgebäudes tagte. Das Bild hat sich mir eingeprägt. Auf der linken Seite saßen die Professor*innen, fast ausschließlich Männer in grauen Anzügen und Krawatte, manche auch mit Fliege; in der vorderen Hälfte der rechten Seite die Vertreter*innen des Mittelbaus, darunter schon mehr Frauen, viele, so auch Birgit, im eleganten Kostüm, und im hinteren Bereich die Studierenden, darunter ich, bunter, sowohl hinsichtlich des Geschlechts als auch der Kleidung.

Während viele der Anwesenden die Wortmeldungen von Studierenden übergingen, unterstützte Birgit, um nur ein Beispiel zu nennen, unsere Forderung nach Institutionalisierung und Förderung von Frauen und feministischer Forschung, ein Anliegen, welches von den meisten Lehrenden zu dieser Zeit noch als „ideologisch“ abgelehnt wurde. Die Gelegenheiten zum Austausch verdichteten sich, als ich wenige Jahre später selbst dem Mittelbau angehörte. Wir trafen uns bei den Vorbesprechungen anlässlich von Fakultätssitzungen, bei den wöchentlichen Treffen der Gewerkschaftlichen Arbeitsgemeinschaft Kritische Universität (GAKU) und in Berufungs- und Habilitationskommissionen. Und wir lernten, dass wir die Mitbestimmungsmöglichkeiten, welche die Universität damals bot, für ähnliche Anliegen nutzen wollten. 

Die Spielregeln der Universität bestimmte bis Jänner 2004 das Universitätsorganisationsgesetz (UOG) 1975. Erlassen unter der sozialdemokratischen Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg, hatte es die universitäre Macht der nahezu ausschließlich männlichen Professoren beschränkt, indem es dem sogenannten universitären Mittelbau und den Studierenden weitreichende Mitbestimmungsrechte überantwortete. Über die Aufnahme von Assistent*innen oder auch über das Lehrprogramm entschieden – heute kaum noch vorstellbar – drittelparitätisch besetzte Institutskonferenzen bzw. Studienkommissionen. Berufungskommissionen setzten sich aus bis zu 20 Personen zusammen. Ein Viertel davon rekrutierte sich aus der Gruppe der Studierenden, ein weiteres Viertel gehörte dem Mittelbau an. Und die Uni war ein Ort, an dem der Mittelbau über langfristige Perspektiven verfügte: Das war und ist meiner Ansicht nach Voraussetzung dafür, um auch ein Commitment für die Institution zu entwickeln.

Wer von uns beiden die Idee entwickelt hatte, für das Sommersemester 1996 ein gemeinsames interdisziplinäres Seminar einzureichen, in welchem wir ausgewählte Texte von Michel Foucault einer kulturwissenschaftlichen Lektüre unterzogen, kann ich heute nicht mehr sagen. Vermutlich aber Birgit, die bereits habilitiert war, während ich noch an meiner Dissertation arbeitete. Obwohl sich Birgit selbst nicht als Sprach-, sondern als Literaturwissenschaftlerin und Filmtheoretikerin verortet – und ihr diese Differenzierung wichtig ist – , habe ich in der gemeinsamen Lehre, vertieft durch viele Gespräche, auch ihre sprachwissenschaftlichen Kompetenzen zu schätzen gelernt. Im Wintersemester 2011 boten wir ein weiteres interdisziplinäres Seminar an, in dem wir feministische Texte aus verschiedensten Disziplinen – Geschichtswissenschaft, Literaturwissenschaft, Philosophie, Wissenschaftstheorie, Film Studies und Ethnologie zählten wir im Vorlesungsverzeichnis auf – einer Relektüre unterzogen. Für die inhaltliche Auswahl durfte jede von uns 10 Texte vorschlagen, die sich, wie wir mit Vergnügen feststellten, teilweise überschnitten. Hinzufügen muss ich, dass die damaligen Studienkommissionen Team-Teaching auch förderten, will heißen, dass die Lehrenden, der Grundidee von Team-Teaching entsprechend, nicht nur die Hälfte bezahlt bzw. nicht nur 50% der aufgewendeten Zeit auf ihre Lehrverpflichtung angerechnet bekamen. 

Dass bei den Fakultätssitzungen die graue Seite des Festsaals langsam bunter wurde und schließlich auch Birgit auf diese Seite wechselte, hatte neben kurienübergreifenden feministischen Initiativen vorwiegend mit der Politik des kürzlich überraschend verstorbenen sozialdemokratischen Wissenschaftsministers Caspar Einem zu tun. Über den Dreiervorschlag für die Berufung von Professor*innen entschied nicht der Rektor, sondern die zuständigen Wissenschaftsminister*innen. Caspar Einem setzte in seiner Amtszeit (1997-2000) nicht mehr die Politik seiner Vorgänger*innen fort, die Reihung der Berufungskommissionen zu übernehmen, sondern ernannte konsequent zweit- und drittgereihte Frauen zu Professorinnen. 

Mit der Implementierung des unter der schwarz-blauen Regierung verabschiedeten Universitätsgesetzes (UG) 2002 änderten sich die Spielregeln und damit auch die Machtverhältnisse an der Uni. Die Universitäten wurden in die Autonomie entlassen, die Mitbestimmungsmöglichkeiten eingeschränkt und befristete Verträge für den Mittelbau eingeführt. Aus ehemals entscheidungsberechtigen Gremien wurden Beratungsgremien für monokratischen Organe. Während Birgit und ich den wissenschaftlichen Weg noch als Assistentinnen begonnen hatten, welche nach erfolgreichen internationalen Qualifikationsverfahren über die Option der Pragmatisierung verfügten, sah das UG 2002 für neu eingestellte Mittelbauler*innen nur noch befristete Verträge vor, die von unabhängig aller erworbener Meriten nicht verlängerbar sind. Eine längerfristige Beschäftigung verhinderte der aktuell vieldiskutierte § 109, kurz Kettenvertragsregel genannt. Die Konsequenzen des radikalen Umbaus der Personalstruktur zeigten sich erst allmählich. In wenigen Jahren werden Mittelbauler*innen mit alten unbefristeten Verträgen der Vergangenheit angehören, wird der Mittelbau auf Personen reduziert sein, deren befristete Verträge als Lektor*innen, Prae- und Postdocs keine Zukunftsperspektive bieten. 

Auch die gegenwärtige Novelle des UG 2002, nun unter einer schwarz-grünen Regierung verabschiedet, verändert nichts an der Prekarisierung des Mittelbaus, gegen welche sich Birgit immer eingesetzt hat. Anstatt den § 109 ersatzlos aus dem UG 2002 zu streichen, wurde er durch die Novelle des UG verschärft. Die Professor*innenkurie, auch jene der beiden kulturwissenschaftlichen Fakultäten, denen Birgit und ich seit der Aufteilung bzw. Zerschlagung der Geisteswissenschaftlichen Fakultät angehören, ist heterogener geworden. Eine Mehrheit für die ersatzlose Streichung des § 109 fand sich dennoch nicht. Für Birgit war und ist es schmerzhaft, ihren hochqualifizierten Mitarbeiter*innen keine längerfristigen Perspektiven an dieser Universität eröffnen zu können. Das Rektorat zeigt sich selbst dann nicht gesprächsbereit, wenn Mitarbeiter*innen von anderen Universitäten eine unbefristete Stelle angeboten bekommen, sondern gratuliert ihnen zu ihrer neuen beruflichen Perspektive. Die solcherart abhanden gekommenen Mitarbeiter*innen fehlen nicht nur in der Forschung und Lehre, sondern auch in der Institution selbst. 

Die neoliberale Universitätspolitik erleichtert Birgit den Beginn eines neuen Abschnittes. In den Kulturwissenschaften / Cultural Studies, dem Refugium, welches sie so erfolgreich mitaufgebaut und in den letzten Jahren verteidigt hat, wird sie weiterhin präsent bleiben. Ich freuen mich auf zahlreiche weitere kulturwissenschaftliche Vorlesungen, die Birgit, Marianne und ich seit mehreren Jahren mit großem Vergnügen im Team bestreiten und auch auf das übliche gemeinsame Glas danach.